Ausübung billigen Ermessens bei Leistungsbonus

[themecolor]BAG, Urteil vom 20. März 2013, Geschäftszeichen 10 AZR 636/11[/themecolor]


§ 315 BGB

Leitsätze der Bearbeiterin:

  1. Ist ein Leistungsbonus nach dem Arbeitsvertrag auch von dem Geschäftserfolg des Arbeitgebers – hier: einer Bank- abhängig, so erfolgt die Bestimmung der Höhe des Bonus insoweit nach billigem Ermessen.
  2. Die Festsetzung eines Leistungsbonus auf „Null“ entspricht im Ausnahmefall billigem Ermessen.
  3. Eine „normale“ Geschäftsentwicklung rechtfertigt eine Reduzierung auf „Null“ nicht.

Problempunkt:

Die Parteien stritten über einen Leistungsbonus für das Jahr 2008. Die Klägerin war als Sachbearbeiterin für die Beklagte, eine von der weltweiten Finanzkrise betroffene Bank, tätig. Im Geschäftsjahr 2008 hatte diese Milliardenverluste zu verzeichnen.

Eine Insolvenz konnte nur durch staatliche Unterstützungszahlungen abgewendet werden. Im Dienstvertrag der Klägerin heißt es zum Leistungsbonus:

„Darüber hinaus erhält die Mitarbeiterin einen Leistungbonus. Dieser richtet sich nach der individuellen Zielerreichung, dem Teamverhalten sowie dem Erfolg der Bank. Er wird jedes Jahr für das abgelaufene Jahr festgesetzt (…)“

Die Klägerin machte geltend, sie habe die vereinbarten Ziele im Jahr 2008 voll erreicht und sogar leicht übertroffen. Ein negatives Unternehmensergebnis rechtfertige keine vollständige Streichung des Bonus. die Beklagte berief sich darauf, dass wegen der Milliardenverluste ermessensfehlerfrei für das Jahr 2008 gar keine Bonuszahlungen an die Beschäftigten erfolgt seien, so auch nicht an naturheilpraxis-hauri.ch die Klägerin.

Die Vorinstanzen gaben der Klage statt. Die Beklagte verfolgte ihren Abweisungsantrag in der Revisionsinstanz weiter.

Entscheidung:

Das BAG verneinte einen Anspruch auf einen Leistungsbonus für das Jahr 2008: Nach dem Anstellungsvertrag der Parteien unterliegt die Bestimmung des Leistungsbonus billigem Ermessen gem. § 315 BGB. Die Vertragsregelung enthält einen Anspruch auf einen Bonus dem Grunde nach. Die Höhe des Leistungsbonus ist nicht bestimmt, auch nicht als Mindestbonus. Darüber kann die Beklagte daher nach billigem Ermessen entscheiden. Dies erfordert, dass die wesentlichen Umstände im konkreten Fall gegeneinander abgewogen worden sind und die beiderseitigen Interessen der Parteien angemessene Berücksichtigung gefunden haben. Die Ermessensentscheidung der Beklagten unterliegt der dabei der vollen gerichtlichen Kontrolle. Im vorliegenden Fall ergibt dies, dass im Geschäftsjahr 2008 besonders gewichtige und außergewöhnliche Umstände vorgelegen haben, die eine Festsetzung des Leistungsbonus für alle Mitarbeiter – auch für die Klägerin – auf „Null“ rechtfertigen. Das BAG machte diese von einer „normalen“ negativen Geschäftsentwicklung abweichenden außergewöhnlichen Umstände daran fest, dass die Beklagte eine Insolvenz allein aufgrund staatlicher Unterstützungszahlungen hat verhindern können. Diese sind danach jedoch nicht erfolgt, um Vergütungsansprüche von Arbeitnehmern zu sichern, sondern im öffentlichen Interesse zur Abwehr schwerer Gefahren für die Volkswirtschaft. Die Würdigung der Gesamtumstände führte daher zur Annahme einer Ausnahmesituation, die eine Festsetzung des Leistungsbonus auf „Null“ erlaubte. Dies gilt selbst dann, wenn – wie hier – individuelle gute Leistungen der Klägerin unstreitig waren.

Einen Verstoß gegen das Recht der Allgemeinen Geschäftsbedingungen – insbesondere das Transparenzgebot sowie das Verbot der unangemessenen  Benachteiligung – durch die vertragliche Regelung zum Bonusanspruch verneinte das BAG.

Konsequenzen:

Die Festlegung der Höhe eines vertraglich zugesagten Bonusanspruchs erfolgt nach billigem Ermessen, wenn es keine anderweitige ausdrückliche Vereinbarung gibt. Die Entscheidung, die Höhe des Bonus für einen bestimmten Zeitraum auf „Null“ festzusetzen, kann im Einzelfall billigem Ermessen entsprechen. die ist jedenfalls dann der Fall, wenn der Arbeitgeber im maßgeblichen Zeitraum erhebliche finanzielle Verluste gemacht hat, die über eine „normale“ negative Geschäftsentwicklung hinausgehen und eine Insolvenz des Unternehmens nur aufgrund staatlicher Unterstützungszahlungen abgewendet werden konnte. In einem solchen Fall ist eine Ausnahmesituation zu bejahen, die ermessensfehlerfrei zu der Entscheidung führen kann, dass den Beschäftigten gar kein Bonustopf zur Verfügung gestellt wird.

Praxistipp:

Das BAG hat im Fall entschieden, dass es billigem Ermessen entsprechen kann, die Höhe des zugesagten Bonus auf „Null“ festzusetzen. Voraussetzung hierfür ist allerdings, dass die wesentlichen Umstände des Einzelfalls gegeneinander abgewogen und die beiderseitigen Interessen der Arbeitsvertragsparteien angemessen berücksichtigt werden. Für die Ausübung billigen Ermessens hat der Bestimmungsberechtigte die Darlegungs- und Beweislast.

Soweit sie Mitarbeitern Leistungsboni vertraglich zusagen, müssen Arbeitgeber zum Erhalt der eigenen Flexibilität darauf achten, dass nach der Vereinbarung die Höhe der Zahlung im billigen Ermessen steht und kein Mindestbonus zugesagt wird. Die Reduzierung des Anspruchs auf „Null“ kommt nur dann in Betracht, wenn außergewöhnliche Umstände in der Geschäftsentwicklung vorliegen, die einer Ausnahmesituation entsprechen. Die „normale“ negative Geschäftsentwicklung stellt keinen solchen Ausnahmefall dar.

Katrin Borck
Fachanwältin für Arbeitsrecht

Dieser Kommentar wurde veröffentlicht in der Zeitschrift „Arbeit und Arbeitsrecht“, HUSS-MEDIEN GmbH, Heft 12/13