Beschäftigungsverbot und Arbeitsunfähigkeit

[themecolor]Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 13. Dezember 2002, Geschäftszeichen 5 AZR 588/00[/themecolor]


Leitsätze der Bearbeiterin:

  1. Krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit und das Vorliegen eines Beschäftigungsverbotes nach § 3 MuSchG schließen sich gegenseitig aus.
  2. Für die Beurteilung der Frage, ob ein Beschäftigungsverbot oder eine Arbeitsunfähigkeit vorliegt, ist maßgeblich das ärztliche Attest, welches der Arbeitnehmerin ausgestellt worden ist.
  3. Ist das Attest uneindeutig und bestreitet der Arbeitgeber die Voraussetzungen eines Beschäftigungsverbotes, so muss das entscheidende Gericht Beweis erheben über diese Frage und zwar durch Einvernahme eines sachverständigen Zeugen, hier des behandelnden Arztes.

Problempunkt:

Die Parteien streiten um Ansprüche auf Mutterschutzlohn. Die Klägerin ist seit 1995 als kaufmännische Beschäftigte bei der Beklagten angestellt. Am 25. März 1998 erfuhr sie von ihrer Schwangerschaft und meldete sich am 27. März 1998 arbeitsunfähig krank. Bis zum 10. Mai 1998 leistete die Beklagte Entgeltfortzahlung. Anschließend bezog die Klägerin Krankengeld von ihrer Krankenkasse.

Mit Datum vom 19. Mai 1998 erteilte der behandelnde Facharzt der Klägerin ein Beschäftigungsverbot nach § 3 MuSchG. In der Bescheinigung heißt es: „Hiermit erteile ich für o. g. Patientin ab sofort ein Beschäftigungsverbot, da Pat. unter erheblichen psychischen Beschwerden am Arbeitsplatz leidet und die Schwangerschaft gefährdet ist.“ Die Klägerin befand sich im April 1998 in stationärer Behandlung. Im Laufe des Rechtsstreits legte sie mit Datum vom 2. September 1998 ein weiteres Attest ihres Arztes vor, in dem dieser den Ausspruch des Beschäftigungsverbotes damit begründete, dass die Klägerin laut ihrer Aussage Probleme mit ihrem Chef habe. Dieser setze sie erheblich unter Druck; ihr Zustand habe sich derart verschlechtert, dass sie kurz vor einem Nervenzusammenbruch stehe. Vor diesem Hintergrund habe er ein totales Beschäftigungsverbot befürwortet.

Die Klägerin hatte seit dem 27. März 1998 nicht mehr bei der Beklagten gearbeitet. Die Beklagte verweigerte die Gehaltszahlung vom 19. Mai 1998 bis zum Beginn der gesetzlichen naturheilpraxis-hauri.ch Sechswochenschutzfrist am 8. Oktober 1998 mit der Begründung, die Beschwerden der Klägerin seien krankheitsbedingt gewesen und hätten zur Arbeitsunfähigkeit geführt. Der Arzt habe die Angaben der Klägerin zur Situation am Arbeitsplatz ungeprüft übernommen; diese Angaben zu bestehenden Problemen am Arbeitsplatz seien unrichtig und entbehrten jeder Grundlage.

Die Klägerin verlangt die Zahlung von Mutterschutzlohn und unterlag zunächst vor dem LAG.

Entscheidung:

Die Revision der Arbeitnehmerin hatte Erfolg. Das LAG hat es in verfahrensfehlerhafter Weise unterlassen, sich die näheren Gründe für den Ausspruch eines Beschäftigungsverbots durch Einvernahme eines sachverständigen Zeugen – hier des behandelnden Arztes – erläutern zu lassen. Der Rechtsstreit wurde daher zur neuen Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen.

Konsequenzen:

Gemäß § 11 Abs. 1 MuSchG hat eine Arbeitnehmerin Anspruch auf Weitergewährung ihres bisherigen Durchschnittsverdienstes, wenn sie wegen eines Beschäftigungsverbotes nach § 3 Abs. 1 MuSchG mit der Arbeit aussetzen muss. Ein solches Beschäftigungsverbot ist durch den behandelnden Arzt zu bescheinigen. Das ärztliche Zeugnis ist für das Beschäftigungsverbot konstitutiv (BAG, Urt. v. 1.10.1997 – 5 AZR 685/96, BAGE 86, 347, 350 m. w. N.). Das BAG stellte in diesem Zusammenhang wiederholt fest, dass für den Arzt ein Beurteilungsspielraum bei der Frage besteht, ob es sich um eine krankheitsbedingte Arbeitunfähigkeit handelt oder ob ein Beschäftigungsverbot auszusprechen ist.

Es machte noch einmal deutlich, dass der Anspruch auf Mutterschutzlohn nur dann besteht, wenn allein das mutterschutzrechtliche Beschäftigungsverbot dazu führt, dass die Schwangere mit der Arbeit aussetzt. Das Beschäftigungsverbot muss also eine nicht wegzudenkende Ursache für den Arbeitsausfall sein. Dieser Ursachenzusammenhang ist dann nicht gegeben, wenn ein krankheitsbedingter Zustand besteht, der in keinerlei Zusammenhang mit der Schwangerschaft zu sehen ist.

Bestehen Zweifel an dem ausgesprochenen Beschäftigungsverbot, etwa weil der behandelnde Arzt aus Sicht des Arbeitgebers die Tatsachenschilderung der Schwangeren ungeprüft übernommen hat – z.B. psychische Belastung am Arbeitsplatz -, ist es dem Arbeitgeber unbenommen, Umstände vorzutragen, die den Beweiswert des ärztlichen Zeugnisses erschüttern. Gerade bei einem mit einer Stresssituation am Arbeitsplatz begründeten Beschäftigungsverbot kann der Arbeitgeber die konkrete Darstellung der zugrundeliegenden Umstände verlangen. Die Arbeitnehmerin jedenfalls genügt zunächst ihrer Darlegungslast zur Suspendierung der Arbeitspflicht durch Vorlage der ärztlichen Bescheinigung eines Beschäftigungsverbotes. Ist der Beweiswert des ärztlichen Zeugnisses durch den Vortrag des Arbeitgebers erschüttert, so steht nicht mehr mit der gebotenen Zuverlässigkeit fest, dass die Arbeitnehmerin wegen des ausgesprochenen Beschäftigungsverbotes mit der Arbeit auszusetzen hat. Die Arbeitnehmerin kommt ihrer sie dann treffenden Beweislast jedoch nach, wenn sie den behandelnden Arzt unter Entbindung von der Schweigepflicht als sachverständigen Zeugen benennt. Das Gericht hat diesen dann auch zu hören.

Praxistipp:

Bestehen beim Arbeitgeber Zweifel über die in einem ärztlichen Attest angegebenen Gründe zur Bescheinigung eines Beschäftigungsverbots einer Arbeitnehmerin, so kann er zunächst vom ausstellenden Arzt Auskunftserteilung darüber zu verlangen, von welchen tatsächlichen Arbeitsbedingungen der Arbeitnehmerin – führt diese ihre Arbeiten beispielsweise sitzend oder stehend aus – er bei Erteilung des Zeugnisses ausgegangen ist und welche Arbeitsbedingungen der Arzt als zumutbar befürworten würde.
Nur wenn der Arbeitgeber diese objektiven Angaben kennt, kann er prüfen, ob er der Arbeitnehmerin nicht andere, zumutbare Tätigkeiten zuweisen kann, die dem Beschäftigungsverbot nicht entgegenstehen würden. Will der Arbeitgeber das Beschäftigungsverbot wegen objektiver Zweifel nicht gegen sich gelten lassen, so kann er von der Arbeitnehmerin eine weitere ärztliche Untersuchung von einem anderen Arzt verlangen. Die Arbeitnehmerin hat diesem Verlangen regelmäßig nachzukommen, wenn ihr der Arbeitgeber seine Gründe hierfür mitteilt. Dies wird damit begründet, dass im Falle eines Beschäftigungsverbots den Arbeitgeber die Verpflichtung trifft, seiner Arbeitnehmerin für dessen Dauer Arbeitsentgelt gem. § 11 Abs. 1 MuSchG zu zahlen.

Katrin Borck
Fachanwältin für Arbeitsrecht

Dieser Kommentar wurde veröffentlicht in der Zeitschrift „Arbeit und Arbeitsrecht“, HUSS-MEDIEN GmbH, Heft 09/02

Kürzung einer Sonderzuwendung bei Krankheit?

[themecolor]Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 07. August 2002, Geschäftszeichen 10 AZR 692/01[/themecolor]


Leitsätze der Bearbeiterin:

  1. Beim Wortlaut von Tarifbestimmungen ist grundsätzlich auszugehen vom allgemeinen Sprachgebrauch, wie er sich aus Wörterbüchern und Lexika ergibt.
  2. Über den reinen Wortlaut hinaus sind Tarifbestimmungen auch nach dem tariflichen Gesamtzusammenhang auszulegen, weil sich der wirkliche Wille der Tarifparteien regelmäßig nur hieraus ergibt.
  3. Es verstößt nicht gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz, wenn unterschiedliche tarifliche Regelungen, zumal, wenn sie nicht von denselben Tarifparteien geschlossen worden sind, Entgeltfragen differenziert behandeln.

Problempunkt:

Die Klägerin arbeitet seit dem 1. April 1986 als Finanzbuchhalterin für die Beklagte. Sie ist teilzeitbeschäftigt mit einer wöchentlichen Arbeitszeit von 25 Stunden und bezog im Jahr 2000 ein tarifliches Entgelt von monatlich 4 197,14 DM brutto. Auf das Arbeitsverhältnis finden wegen der beidseitigen Verbandszugehörigkeit die tariflichen Bestimmungen für die Angestellten der Druckindustrie in Nordrhein – Westfalen (MTV Angestellte NRW) Anwendung. Die jährlichen Sonderleistungen waren bislang aufgrund der Bestimmung des § 9 des MTV Angestellte NRW in der Fassung vom 27. Februar 1997 gezahlt worden. Voraussetzung für den vollen Anspruch war danach ein ungekündigtes Anstellungs- bzw. Ausbildungsverhältnis, das seit dem 4. Januar bis einschließlich 31. Dezember des laufenden Fälligkeitsjahres bestand. Im Jahr 2000 fehlte die Klägerin krankheitsbedingt zunächst vom 25. Februar bis 7. März; seit dem 7. Juli fehlte sie auf Dauer. Das Arbeitsverhältnis bestand aber ungekündigt fort.

Im November 2000 nahm die Beklagte bei der Klägerin wegen der krankheitsbedingten Abwesenheit einen Gehaltsabzug in Höhe von 526,84 DM vor. Diesen Abzug begründete sie damit, dass es in § 20 Abs. 5 MTV Angestellte NRW heißt: „Bei Bestimmungen dieses Vertrages, die dem MTV gewerblicher Arbeitnehmer sinngemäß entsprechen bzw. gleich lauten, finden die Durchführungsbestimmungen des MTV gewerbliche Arbeitnehmer Anwendung.“ Für die gewerblichen Arbeitnehmer besteht eine § 9 MTV Angestellte NRW nahezu gleichlautende Regelung der tariflichen Jahresleistung in § 9 MTV naturheilpraxis-hauri.ch gewAN. Zu dieser Vorschrift gibt es keine Durchführungsbestimmungen, aber es existieren Protokollnotizen, in denen es heißt:

„Eine anteilige Kürzung der tariflichen Jahresleistung erfolgt je Tag der Abwesenheit bei (…) krankheitsbedingten Arbeitsunterbrechungen, soweit sie insgesamt die Dauer von vier Monaten im Kalenderjahr überschreitet (…).“

Die Klägerin wendet sich gegen die Kürzung der tariflichen Jahresleistung mit dem Argument, in § 20 Abs. 5 MTV sei nur auf die Durchführungsbestimmungen, nicht aber auf die Protokollnotizen verwiesen.

Entscheidung:

Nachdem die Klägerin beim LAG in zweiter Instanz mit ihrer Argumentation unterlag, hob das BAG das Urteil auf und stellte die erstinstanzliche Entscheidung des ArbG wieder her. Nach Auffassung des Senats erfüllt die Klägerin die tatbestandlichen Voraussetzungen der vollen Jahresleistung in § 9 Abs. 2 MTV Angestellte NRW, da sie in dem gesamten Bezugsjahr 2000 in einem ungekündigten Arbeitsverhältnis gestanden hat. § 20 Abs. 5 MTV Angestellte NRW kann unter Bezugnahme auf die genannten Protokollnotizen zu § 9 MTV gewAN zu keiner Kürzung dieses Anspruchs aufgrund krankheitsbedingter Abwesenheit führen. Das BAG hat die genannten Normen ausgelegt und kam zu dem Ergebnis, dass im vorliegenden Fall einerseits Protokollnotizen, andererseits Durchführungsbestimmungen vereinbart worden waren. Die eindeutige Bezugnahme auf Durchführungsbestimmungen kann daher nicht zu einer solchen auf Protokollnotizen führen. Ein lediglich redaktionelles Versehen ist im Ergebnis auch nicht anzunehmen, wenn in § 20 Abs. 5 lediglich die Durchführungsbestimmungen des MTV gewAN in Bezug genommen wurden.

Konsequenzen:

Bei der Auslegung von Tarifbestimmungen und in Bezug genommenen Durchführungsbestimmungen und Protokollnotizen sind folgende Grundsätze, die das BAG in der Entscheidung nochmals deutlich hervorgehoben hat, zu beachten: Zunächst ist vom jeweiligen Wortlaut der Tarifnormen auszugehen. Zu erforschen ist dabei – wie bei der Auslegung von Gesetzen – der wirkliche Wille der Parteien sowie der tarifliche Gesamtzusammenhang. Bei verbleibenden Zweifeln können weitere Kriterien wie etwa die Tarifgeschichte, praktische Tarifübung und Entstehungsgeschichte zu Rate gezogen werden, ohne dass hierbei eine bestimmte Reihenfolge einzuhalten wäre. Verbleiben dann noch Zweifel, ist die Auslegung zu wählen, die zu einer vernünftigen, sachgerechten, zweckorientierten und praktisch brauchbaren Lösung führt (BAG, Urt. v. 20.3.2002 – 10 AZR 518/01). Dem widerspricht nicht, dass unterschiedliche Tarifparteien zu denselben Fragestellungen differenzierte Lösungen formuliert haben; auch dann nicht, wenn es um Entgeltfragen (bei Arbeitnehmern desselben Gewerbes) geht.

Praxistipp:

Bei Kürzung von Leistungen der Arbeitnehmer – wie hier der jährlichen Sonderleistung – sollte der Arbeitgeber grundsätzlich die Rechtsgrundlage hierfür genau prüfen. Spielen Tarifnormen eine Rolle und sind sie auslegungsbedürftig, sei es, weil sie unbestimmt oder uneindeutig formuliert sind; sei es, weil sie Bezug nehmen auf andere Tarifverträge oder vergleichbare Regelungen anderer Arbeitnehmergruppen, sind die vom BAG nunmehr wiederholt aufgestellten Grundsätze zur Auslegung von Tarifnormen zu beachten, die den Grundsätzen zur Auslegung von Gesetzen folgen. Verbleiben letzte Zweifel, ist zu fragen, ob die ermittelte Auslegung zu sachgerechten Ergebnissen führt. Dies kann auch dann der Fall sein, wenn Entgeltfragen aufgrund unterschiedlicher tariflicher Regelungen einer differenzierten Behandlung zugeführt werden, wie hier bei der Frage der Kürzung des Anspruchs auf eine jährliche Sonderleistung bei krankheitsbedingter Abwesenheit des Arbeitnehmers im Bezugsjahr.

Katrin Borck
Fachanwältin für Arbeitsrecht

Dieser Kommentar wurde veröffentlicht in der Zeitschrift „Arbeit und Arbeitsrecht“, HUSS-MEDIEN GmbH, Heft 12/02

Überstunden im Krankheitsfall

[themecolor]Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 26.


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Juni 2002, Geschäftszeichen 5 AZR 511/00[/themecolor]


Leitsätze der Bearbeiterin:

  1. § 4 Abs. 1 EFZG geht für die Berechnung der Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall von einem sog. modifizierten Lohnausfallprinzip aus.
    Danach ist allein eine individuelle, vergangenheitsbezogene Betrachtung der Arbeitszeit zulässig und geboten, um die regelmäßige Arbeitszeit in diesem Sinne zu ermitteln.
  2. Nach § 4 Abs. 1a Satz 1 EFZG gehört zum Arbeitsentgelt nach Abs. 1 nicht das zusätzlich für Überstunden gezahlte Arbeitsentgelt.
  3. Überstunden in diesem Sinne meint nicht die regelmäßig erbrachte, über der tariflich vereinbarten oder betriebsüblichen Arbeitszeit liegende Arbeitsleistung, sondern die wegen bestimmter besonderer Verhältnisse vorübergehend und zusätzlich geleistete Mehrarbeit.

Problempunkt:

Die Parteien stritten über die Höhe der im Krankheitsfall zu leistenden Entgeltfortzahlung. Der Kläger ist bei der Beklagten als Installateur beschäftigt; auf das Arbeitsverhältnis findet der für allgemeinverbindlich erklärte Bundesrahmentarifvertrag für das Baugewerbe (BRTV) Anwendung.

Im Jahr 1999 war der Kläger mit Unterbrechungen 38 Tage krankheitsbedingt arbeitsunfähig. Bei der Berechnung der Entgeltfortzahlung legte die Beklagte die tariflich vereinbarte wöchentliche Arbeitszeit von 40 Stunden zugrunde. Der Kläger hatte allerdings im Jahr 1999 bis zu seiner ersten Erkrankung regelmäßig mehr als 40 Stunden in der Woche gearbeitet; bis Oktober 1999 hatte er bereits 492 Mehrarbeitsstunden angesammelt. In den Monaten Juni, Juli und August belief sich seine Arbeitszeit zusätzlich zur tariflich geleisteten auf 94, 57,5 und 54 Stunden.

Der Kläger macht geltend, dass bei der Berechnung der Entgeltfortzahlung die im Referenzzeitraum der letzten 3 Monate geleistete Mehrarbeit zu berücksichtigen sei und klagte die Differenz zum tatsächlich gezahlten Betrag ein.

Die beiden Vorinstanzen hatten die Klage abgewiesen. Das BAG hob das Urteil des Landesarbeitsgerichts auf und verwies die Sache zur weiteren Sachaufklärung zurück.

Entscheidung:

Das Bundesarbeitsgericht stellte fest, dass hier zur Berechnung der Höhe der Entgeltfortzahlung die gesetzlichen Bestimmungen Anwendung finden, da die tarifvertragliche Regelung zuungunsten der Arbeitnehmer von § 4 Abs. 1 EFZG abweicht, da nach der tariflichen Regelung Arbeitnehmer nur eine Fortzahlung in Höhe von 80% des bei ihnen bei der für sie maßgebenden regelmäßigen Arbeitszeit zustehenden Entgeltes erhielten.

§ 4 Abs. 1 EFZG legt der Berechnung der Entgeltfortzahlung ein sog. modifiziertes Lohnausfallprinzip zugrunde, wonach allein maßgebend die individuelle Arbeitszeit des betroffenen Arbeitnehmers ist. Schwierigkeiten können sich dann ergeben, wenn diese schwankt. Anzuwenden ist in diesen Fällen eine vergangenheitsbezogene Betrachtung im Referenzzeitraum. Es ist darauf abzustellen, welche Arbeitsleistung tatsächlich ausgefallen und nicht, welche tarifliche und betriebsübliche Arbeitszeit zwischen den Parteien vereinbart worden ist. Auch gesetzliche oder tarifliche Regelungen zu Höchstarbeitszeiten können vernachlässigt werden, da sie lediglich zum Schutz der Arbeitnehmer naturheilpraxis-hauri.ch dienen.

Zusätzlich für Überstunden gezahltes Entgelt darf nicht Bemessungsgrundlage der Entgeltfortzahlung sein. Der Begriff der Überstunden ist bei näherer Betrachtung allerdings auslegungsbedürftig. Das BAG stellt fest, dass § 4 Abs. 1a Satz 1 EFZG nach seinem Wortlaut und Sinn grundsätzlich auch wiederholt geleistete Überstunden meint, also auch die Fälle, in denen ein Arbeitnehmer regelmäßig die tariflich oder arbeitsvertraglich vereinbarte Arbeitszeit überschreitet. Allerdings sieht auch das BAG, dass es Arbeitnehmer gibt, die ständig eine bestimmte, über der tariflichen oder individuell vereinbarten Arbeitszeit liegende Arbeitsleistung erbringen. In diesen Fällen kann nicht von Überstunden gesprochen werden, da diesen immer ein vorübergehender, zusätzlicher Charakter innewohnen muss.

Im Ergebnis ist daher für die Berechnung der Höhe der Entgeltfortzahlung ein Vergleichszeitraum zugrunde zu legen, um die Besonderheiten des betroffenen Arbeitsverhältnisses angemessen berücksichtigen zu können. Zieht man einen Vergleichszeitraum von 12 Monaten heran, so werden unbillige Zufallsergebnisse jedenfalls vermieden.

Im vorliegenden Fall musste die Sache an die Tatsacheninstanz zurückverwiesen werden, damit dort die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit des Klägers, die jedenfalls über den tariflich vereinbarten 40 Wochenstunden liegt, ermittelt werden kann.

Konsequenzen:

Bei der Berechnung der Höhe der Entgeltfortzahlung ist in Zukunft durch den Arbeitgeber ein Vergleichszeitraum der letzten 12 Monate zugrunde zu legen. Dies betrifft alle Arbeitsverhältnisse, in dessen Rahmen der Arbeitnehmer zeitlich schwankende Arbeitsleistungen erbringt, also auch solche, in denen regelmäßig Überstunden erbracht werden. In jedem Einzelfall ist zu entscheiden, ob es sich bei der Mehrarbeit um Überstunden im oben erläuterten Sinne handelt, also um Mehrarbeit, die einen vorübergehenden und zusätzlichen Charakter hat, oder um regelmäßig erbrachte Überstunden, die lediglich über die tariflich oder einzelvertraglich vereinbarte Arbeitszeit hinausgehen. Daraus ergeben sich für die Höhe der zu leistenden Entgeltfortzahlung erhebliche Konsequenzen.

Praxistipp:

Zunächst ist im Fall der Entgeltfortzahlung vom Arbeitgeber zu prüfen, ob die entsprechende tarifvertragliche Regelung im Hinblick auf § 12 EFZG i. V. m. § 134 BGB überhaupt noch Anwendung findet. Sodann ist nach den oben genannten Grundsätzen bei der Ermittlung der regelmäßigen Arbeitszeit ein Referenzzeitraum von 12 Monaten zugrunde zu legen. Schließlich ist die regelmäßige Arbeitszeit als Bemessungsgrundlage heranzuziehen, auch wenn diese Arbeitszeit über der tariflich oder arbeitsvertraglich vereinbarten Arbeitszeit liegt, dies sogar dann, wenn sie über den erlaubten Höchstarbeitszeiten liegt.

Katrin Borck
Fachanwältin für Arbeitsrecht

Dieser Kommentar wurde veröffentlicht in der Zeitschrift „Arbeit und Arbeitsrecht“, HUSS-MEDIEN GmbH, Heft 04/03

Kündigungsschutz nach Betriebsübergang

[themecolor]Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 15. Februar 2007, Geschäftszeichen 8 AZR 397/06[/themecolor]


Leitsätze der Bearbeiterin:

  1. Das Erreichen des Schwellenwerts nach § 23 KSchG aufgrund der Anzahl der beschäftigten Mitarbeiter beim Rechtsvorgänger ist kein übergangsfähiges Recht i.S.d. § 613a BGB.
  2. Ein gekündigter Arbeitnehmer kann sich nach dem Betriebsübergang daher nicht auf die Geltung des Kündigungsschutzgesetzes berufen, wenn beim Übernehmer der Schwellenwert nach § 23 KSchG nicht erreicht ist.

Problempunkt:

Das BAG hatte darüber zu entscheiden, ob das Kündigungsschutzgesetz (KSchG) zugunsten einer Arbeitnehmerin auch dann angewendet werden muss, wenn diese zum Zeitpunkt der Kündigung nach einem Betriebsübergang bei einem Arbeitgeber tätig war, der den Schwellenwert des § 23 KSchG nicht erreicht, das KSchG vor dem Betriebsübergang aber aufgrund der Betriebsgröße Anwendung gefunden hätte.

Entscheidung:

Die Klage der Arbeitnehmerin war in allen Instanzen erfolglos. Nach Ansicht des BAG ist das Erreichen des Schwellenwerts aufgrund der Betriebsgröße gemäß § 23 KSchG kein übergangsfähiges Recht i.S.d. § 613a BGB.

Bislang war nicht höchstrichterlich definiert, was unter „Rechte und Pflichten“ i.S.d. § 613a BGB zu verstehen ist. Lediglich das Hessische Landesarbeitsgericht hat in einer Entscheidung aus dem Jahre 1983 (Urt. v. 28.1.1983 – 13 Sa 827/82) festgestellt, ein Betriebsteilübergang führe nicht zur Perpetuierung des gegenüber dem Betriebsveräußerer erworbenen Kündigungsschutzes. Dem schlossen sich die Bundesrichter an und erläuterten: Letztlich stellt das Erreichen des Schwellenwerts nach § 23 KSchG kein Recht dar, sondern allenfalls eine Tatbestandsvoraussetzung für ein Recht. Die Betriebsgröße gehört auch nicht zum erworbenen Besitzstand des Arbeitnehmers, denn sie kann sich aufgrund tatsächlicher Grundlagen jederzeit verändern – der Arbeitnehmer ist auch beim Betriebsveräußerer vor einem Wegfall des Kündigungsschutzes durch eine Verkleinerung der Belegschaft nicht geschützt. Andernfalls käme es zu einer Aufwertung und Erstarkung der Rechtsposition, die ohne den Betriebsübergang nicht stattgefunden hätte. Eine https://naturheilpraxis-hauri.ch/ solche Privilegierung der Arbeitsverhältnisse aufgrund eines Betriebsübergangs ist aber nicht gewollt.

Der Schutz ergibt sich auch nicht aus der hier einschlägigen Richtlinie 77/187/EWG. Der EuGH ist vielmehr immer davon ausgegangen, dass sich die Ermittlung des Inhalts eines Rechts beim Betriebsübergang allein nach den im Arbeitsverhältnis mit dem Veräußerer geltenden Modalitäten richtet. Dem Arbeitnehmer soll bei einem Inhaberwechsel grundsätzlich die weitere Wahrung seiner Rechte gewährleistet werden.

Auch die Vorschrift des § 323 Umwandlungsgesetz (UmwG) führt nach Ansicht des BAG nicht dazu, dass das Kündigungsschutzgesetz im konkreten Fall auf die Arbeitnehmerin Anwendung findet. Eine unmittelbare Anwendung der Vorschrift scheidet aus, weil weder eine Spaltung noch eine Teilübertragung vorlagen. Eine analoge Anwendung lehnten die Richter ebenfalls ab: Gemäß § 323 UmwG darf sich die kündigungsrechtliche Stellung eines Arbeitnehmers für die Dauer von zwei Jahren nach einer Spaltung oder Teilübertragung des Rechtsträgers nicht verschlechtern. Daher bleibt der gesetzliche Kündigungsschutz auch bei Absinken unter den maßgeblichen Stellenwert für diesen Zeitraum zugunsten der Mitarbeiter erhalten. Der Gesetzgeber wollte mit § 323 UmwG allerdings ausschließlich eine besondere arbeitsrechtliche Schutzvorschrift für den Bereich des Umwandlungsrechts schaffen. Wie sich aus der Begründung des Gesetzesentwurfs ergibt, ist der Gesetzgeber davon ausgegangen, dass in den §§ 321 ff. UmwG für die Spaltung und Teilübertragung über den § 613a BGB hinausgehende Sondervorschriften geschaffen werden sollten. Ihm war dabei bewusst, dass das Schutzniveau der Vorschrift über das des § 613a BGB hinausgeht. In einem solchen Fall kann nicht vom Vorliegen einer Regelungslücke ausgegangen werden.

Der begehrte Kündigungsschutz folgt auch nicht aus einer individualrechtlichen Vereinbarung der Parteien. Mit dem Betriebsvorgänger hatte die Klägerin zwar die schriftliche Vereinbarung geschlossen, dass die Bedingungen des gültigen Arbeitsvertrags weiter gelten sollten. Die beklagte Übernehmerin hatte auf diesem Schriftstück jedoch lediglich ihre Kenntnisnahme verzeichnet. Eine vertragliche Vereinbarung war mit ihr nicht geschlossen worden. Eine Vereinbarung zulasten Dritter ist jedoch unzulässig.

Konsequenzen:

Die Frage, ob im Ursprungsbetrieb aufgrund der Anzahl der beschäftigten Mitarbeiter das KSchG galt, kann aus Sicht des Übernehmers bei einem Betriebsübergang vernachlässigt werden. Beschäftigt er nur eine unter dem Schwellenwert liegende Arbeitnehmeranzahl, so gilt das KSchG fortan auch nicht mehr zugunsten der übernommenen Mitarbeiter. Allerdings muss der Übernehmer vermeiden, dass mit den Arbeitnehmern individualvertragliche Vereinbarungen übernommen oder neu geschlossen werden, die auf die Anwendbarkeit des gesetzlichen Kündigungsschutzes unabhängig von der Anzahl der beschäftigten Mitarbeiter zielen.

Praxistipp:

Übernehmer von Betrieben können sich nach dieser Entscheidung weiter darauf verlassen, dass die rechtlichen Segnungen des KSchG zugunsten der übernommenen Arbeitnehmer keine Anwendung finden, wenn der Schwellenwert des § 23 KSchG beim Übernehmer nicht erreicht wird. Dies gilt unabhängig davon, ob er im Ursprungsbetrieb (möglicherweise jahrelang) erreicht wurde oder nicht. Für die übernommenen Mitarbeiter bedeutet dies aber keine Verschlechterung ihrer kündigungsrechtlichen Stellung: Auch im Ursprungsbetrieb kann die Anwendbarkeit des KSchG entfallen, wenn der Schwellenwert unterschritten wird.

Katrin Borck
Fachanwältin für Arbeitsrecht


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