Rückzahlungsklausel bei arbeitgeberveranlasster Kündigung
[themecolor]Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 13. Dezember 2011, Geschäftszeichen 3 AZR 791/09[/themecolor]
§ 307 Abs. 1 BGB
Leitsätze der Bearbeiterin:
- Es ist grundsätzlich zulässig, eine Rückzahlungsklausel für Ausbildungskosten zu vereinbaren. Dies gilt insbesondere für Fälle der Eigenkündigung.
- Verwendet der Arbeitgeber die Vereinbarung mehrfach, unterliegt sie den Wirksamkeitsvoraussetzungen der §§ 305 ff. BGB.
- Differenziert die Klausel nicht nach dem Grund der Eigenkündigung des Arbeitnehmers, benachteiligt ihn dies unangemessen i. S. d. § 307 Abs. 1 BGB. Eine solche Vereinbarung ist insgesamt unwirksam.
Problempunkt:
Der Beklagte war als Servicekraft für seine Arbeitgeberin tätig. Er schloss mit ihr eine Rückzahlungsvereinbarung für eine von ihrvollständig finanzierte Ausbildung zum Triebwagenführer. Die Klägerin verwendete die identische Vereinbarung in weiteren 25 Fällen. Die Rückzahlungsklausel sah einen Kostenerstattungsanspruch u. a. vor, wenn der Beklagte vor Beendigung der Ausbildung oder vor Ablauf von zwei Jahren nach deren Beendigung kündigt. Weitere Regelungen für den Fall der Eigenkündigung gab es nicht.
Der Beklagte kündigte rund neun Monate, nachdem er erfolgreich die Ausbildung abgeschlossen hatte, weil die Klägerin ihn wegen eines Vorfalls nicht mehr als Triebwagenführer, sondern nur noch als Servicekraft einsetzte. Die Klägerin verlangte von ihm die Erstattung der Ausbildungskosten in voller Höhe. Der Beklagte verwies darauf, die Klausel sei unwirksam. Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen, das Landesarbeitsgericht gab ihr statt.
Entscheidung:
Das BAG schloss sich dem LAG an und verneinte den Erstattungsanspruch ebenfall. Einzelvertragliche Vereinbarungen zur Rückzahlung von Ausbildungskosten sind grundsätzlich zulässig. Schließt der Arbeitgeber die identische Vereinbarung mehrfach, unterliegt sie dem Recht der Allgemeinen Geschäftsbedingungen. Die hier geschlossene Rückzahlungsvereinbarung benachteiligt den Beklagten gem. § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB unangemessen und ist damit unwirksam. Das Recht der Allgemeinen Geschäftsbedingungen unterliegt nicht der geltungserhaltenden Reduktion.
Eine unangemessene Benachteiligung des Arbeitnehmers i. S. v. § 307 Abs. 1 BGB liegt vor, wenn ihm die Erstattungspflicht nach Treu und Glauben unzumutbar ist. Dies ist der Fall, wenn die Erstattungsvoraussetzungen nicht hinsichtlich der Gründe für die vorzeitige Kündigung des Mitarbeiters differenzieren.
Hier hatte die Arbeitgeberin als Tatbestandsvoraussetzung für die Rückzahlungsverpflichtung lediglich „Kündigt der Arbeitnehmer“ formuliert worden. Dies hielt das BAG für zu weit gefasst. Es ist nach dem Grund des vorzeitigen Ausscheidens zu unterscheiden – gerade bei einer Eigenkündigung. Die Klausel muss berücksichtigen, ob der Arbeitgeber die Kündigung des Mitarbeiters veranlasst hat. Schließlich stellt eine vom Arbeitgeber (mit)veranlasste Eigenkündigung im Arbeitsleben keine Seltenheit dar. Erwähnt die Vereinbarung dies nicht als Ausnahme, ist sie insgesamt unwirksam – und zwar unabhängig davon, ob der Arbeitgeber die Kündigung im konkreten Fall tatsächlich veranlasst hat. Eine geltungserhaltende Reduktion ist im Recht der Allgemeinen Geschäftsbedingungen nicht möglich.
Konsequenzen:
Rückzahlungsvereinbarungen zu Ausbildungen, die der Arbeitgeber finanziert hat, sind grundsätzlich zulässig. Allerdings unterliegen sie – soweit das Unternehmen sie mehrfach verwendet – dem Recht der Allgemeinen Geschäftsbedingungen gem. §§ 305 ff. BGB. Differenziert die Rückzahlungsklauselnicht hinsichtlich der tatsächlichen Gründe für eine vorzeitige Kündigung des Arbeitnehmers, ist sie insgesamt unwirksam. Insbesondere hält es das BAG für unerlässlich, die vom Arbeitgeber (mit)veranlasste Kündigung des Arbeitnehmers ausdrücklich zu regeln. Andernfalls benachteiligt die Rückzahlungsverpflichtung den Mitarbeiter unangemessen, medizinrezeptfrei24.de beispielsweise wenn der Arbeitgeber nicht in der Lage is, ihm einen Arbeitsplatz zuzuweisen, der seinen verbesserten beruflichen Fähigkeiten entspricht.
Praxistipp:
Arbeitgeber sollten bei Abschluss einer Rückzahlungsvereinbarung darauf achten, dass der Arbeitnehmer nicht verpflichtet ist, die Kosten zu erstatten, wenn sie die vorzeitige Kündigung des Arbeitnehmers (mit)veranlasst haben. Diese Tatbestandsalternative muss in der Rückzahlungsklausel ausdrücklich Niederschlag finden. Eine Vereinbarung, die lediglich auf die (vorzeitige) Kündigung durch den Arbeitnehmer abstellt, ohne weiter zu differenzieren, benachteiligt den Beschäftigten unangemessen gem. § 307 Abs. 1 BGB. Sie ist dann insgesamt unwirksam. Dies gilt unabhängig davon, ob der Arbeitgeber die Kündigung im konkreten Fall tatsächlich (mit)veranlasst hat oder nicht. Es genügt, dass er diese denbare Variante in der abstrakten Formulierung der Klausel weggelassen hat.
Katrin Borck
Fachanwältin für Arbeitsrecht
Dieser Kommentar wurde veröffentlicht in der Zeitschrift „Arbeit und Arbeitsrecht“, HUSS-MEDIEN GmbH, Heft 09/12