Abgeltung von Bereitschaftsdienst
[themecolor]Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 19. November 2010, Geschäftszeichen 6 AZR 624/08[/themecolor]
§ 8.1 Abs. 7 Satz 1 TVöD-K
Leitsätze der Bearbeiterin:
- Die Erteilung der Zustimmung zur Änderung der Abgeltung von Bereitschaftsdienstzeiten kann auf Arbeitnehmerseite auch konkludent erteilt werden.
- Eine wirksame konkludente Zustimmung in die geänderte Abgeltung ist in der vorbehaltlosen Annahme des in der Folgezeit gewährten Freizeitausgleichs zu sehen.
- Ein Formerfordernis für die Zustimmung der Änderung des Abgeltungs-modus besteht nur dann, wenn dies ausdrücklich in dem anwendbaren Tarifvertrag, der naturheilpraxis-hauri.ch entsprechenden Betriebsvereinbarung oder sonst vereinbart worden ist.
Problempunkt:
Die Klägerin ist als OP-Schwester seit 1988 im Klinikum der Beklagten beschäftigt. Die Parteien streiten über die Abgeltung von Bereitschaftsdiensten. Das Arbeitsvehältnis richtet sich nach der jeweils gültigen Fassung des Tarifvertrages für den öffentlichen Dienst für den Dienstleistungsbereich Krankenhäuser im Bereich der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände (TVöD-K).
Dieser erwähnt in der bis zum 31. Juli 2006 geltenden Fassung, dass die Buchung von Zeitguthaben aus den Bereitschaftsdienstzeiten auf dem entsprechenden Arbeitszeitkonto des Beschäftigten erfolgt. In der Zeit vom 1. April 2003 bis 31. März 2006 glich der Beklagte die geleisteten Bereitschaftsdienste zu 85 % in Freizeit aus, zu 15 % vergütete er diese Zeit. Auf Wunsch der Klägerin wurde zum 1. April 2006 die wöchentliche Arbeitszeit von bisher 60 % auf nunmehr 75 % erhöht. Die Parteien schlossen zugleich eine schriftliche Vereinbarung, wonach geleistete Bereitschaftsdienste zukünftig vollständig durch Freizeit ausgeglichen würden.
Hintergrund war, dass der Arbeitgeber zu diesem Zeitpunkt bereits eine Vereinbarung mit dem Personalrat geschlossen hatte, wonach bei neu eingestellten Beschäftigten der Bereitschaftsdienst derart ausgeglichen werden sollte. Der mit Wirkung vom 1. August 2006 geänderte Tarifvertrag seinerseits sah in § 8.1 Abs. 7 Satz 1 vor, dass (für alle Mitarbeiter) die vollständige Abgeltung der Bereitschaftsdienstzeit in Freizeit auch durch Zustimmung der Beschäftigten erreicht werden konnte.
Nach Abschluss der Vereinbarung über die Erhöhung der Arbeitszeit bat die Klägerin schriftlich darum, ihr weiterhin 15 % der Bereitschaftsdienstzeit zu vergüten. Dies verweigerte die Beklagte und glich im Zeitraum April 2006 bis Mai 2007 geleistete Bereitschaftsdienste vollständig durch Freizeit aus. Die Klägerin begehrt weiter die Auszahlung der Bereitschaftsdienstzeiten im Umfang von 15 % für den Zeitraum Juli 2006 bis einschließlich Mai 2007 und begründet ihren Anspruch unter anderem damit, dass für sie kein Arbeitszeitkonto besteht, dies aber eine zwingende Voraussetzung für die Abgeltung durch Freizeitausgleich sei.
Entscheidung:
Das Landesarbeitsgericht hatte die Klage mit der Begründung abgewiesen, die Klägerin habe dem Freizeitausgleich zugestimmt und auf das Bestehen eines Arbeitszeitkontos komme es nicht an. Das BAG schließt sich dieser Entscheidung im Ergebnis an und führt aus, dass der Bereitschaftsdienst vollständig durch die Inanspruchnahme des Freizeitausgleichs abgegolten worden war. Das Bestehen eines Arbeitszeitkontos sei bereits deswegen nicht erforderlich, weil die entsprechende tarifvertragliche Vorschrift dies dem Wortlaut nach nicht fordere. Der Senat hält die Frage, ob die Parteien anlässlich der Arbeitszeiterhöhung die vollständige Abgeltung durch Freizeitausgleich vereinbart haben, für nicht entscheidungserheblich. Aus seiner Sicht kommt es lediglich darauf an, dass die Klägerin diesen Freizeitausgleich auch nach ihrer schriftlichen Bitte an die Beklagte, wie zuvor 15 % des Bereitschaftsdienstes zu vergüten, vorbehaltlos in Anspruch genommen hat. Sie habe damit konkludent dem geänderten Abgeltungsmodus zugestimmt. Dies sei auch formlos möglich gewesen, weil § 8.1 Abs. 7 Satz 1 TVöD-K kein Schriftformerfordernis enthalte.
Konsequenzen:
Auf Arbeitnehmerseite muss darauf geachtet werden, dass beim Streit über die Abgeltung von Bereitschaftsdiensten der angebotene Freizeitausgleich dann nicht vorbehaltlos in Anspruch genommen darf, wenn eigentlich die (teilweise) Vergütung gewünscht wird. In Fällen, in denen – im Tarifvertrag oder in der entsprechenden Betriebsvereinbarung – kein Schriftformerfordernis für die Zustimmung des Beschäftigten vorgesehen ist, gilt die Zustimmung zur Umstellung des Abgeltungsmodus mit der vorbehaltlosen Annahme als konkludent erteilt. Auch ist das Bestehen eines Arbeitszeitkontos grundsätzlich keine Voraussetzung für die Abgeltung in Freizeitausgleich. Dies kann jedoch im Einzelfall anders sein, wenn dieses Erfordernis ausdrücklich vereinbart wird.
Praxistipp:
Für den Arbeitgeber empfiehlt es sich, bei Abschluss eines Haustarifvertrages oder einer Betriebsvereinbarung darauf zu achten, dass das Zustimmungserfordernis der Beschäftigten zur Änderung der Abgeltung von Bereitschaftsdiensten nicht mit einem Schriftformerfordernis verbunden wird. Nimmt der oder die Beschäftigte den gewährten Freizeitausgleich in dieser Konstellation vorbehaltlos an, so ist nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts in der vorbehaltlosen Annahme des Freizeitausgleichs eine konkludente Zustimmung zu sehen, die dazu führt, dass der Abgeltungsanspruch vollständig erfüllt wird. In diesem Fall ist es dem bzw. der Beschäftigten verwehrt, für die entsprechenden Zeiträume (zusätzlich) finanzielle Abgeltungsforderungen für die geleisteten Dienste durchzusetzen.
Katrin Borck
Fachanwältin für Arbeitsrecht
Dieser Kommentar wurde veröffentlicht in der Zeitschrift „Arbeit und Arbeitsrecht“, HUSS-MEDIEN GmbH, Heft 01/11


