Überstundenpauschalierungsabrede und AGB – Kontrolle
[themecolor]Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 1. September 2010, Geschäftszeichen 5 AZR 517/09[/themecolor]
§ 307 Abs. 1 Satz 2 BGB
Leitsatz der Bearbeiterin:
Die AGB-Klausel „erforderliche Überstunden sind mit dem Monatsgehalt abgegolten“ genügt nicht dem Transparenzgebot (§ 307 Abs. 1 Satz 2 BGB), wenn sich der Umfang der danach ohne zusätzliche Vergütung zu leistenden Überstunden nicht hinreichend deutlich aus dem Arbeitsvertrag ergibt.
Problempunkt:
Der Kläger war als Leiter des Hochregallagers bei der Beklagten beschäftigt. Sein Arbeitsvertrag enthielt eine Klausel, wonach er eine wöchentliche Arbeitszeit von 45 Stunden zu erbringen hatte (38 Normalarbeitsstunden und sieben Mehrarbeitsstunden). Für seine Tätigkeit erhielt er 3.000 Euro brutto. Darüber hinaus war vereinbart: „Mit der vorstehenden Vergütung sind erforderliche Überstunden des Arbeitnehmers abgegolten.“
Nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses verlangte der Kläger die Vergütung eines Guthabens von 102 Stunden, die dem Arbeitszeitkonto gutgeschrieben waren. Dabei handelte es sich um ein Zeitguthaben, das er über die vereinbarte Arbeitszeit von 45 Stunden/Woche hinaus erwirtschaftet hatte. Die Beklagte wandte ein, mit dem vereinbarten Bruttogehalt seien die Überstunden abgegolten. Die entsprechende Klausel im Arbeitsvertrag unterliege als Abrede über die Hauptleistungspflicht nicht der Inhaltskontrolle nach den §§ 305 ff. BGB. Das Arbeitsgericht gab der Zahlungsklage statt. Das LAG wies die Berufung der Beklagten zurück.
Entscheidung:
Das BAG wies die Revision der Beklagten ebenfalls zurück und sprach dem Kläger die geltend gemachte Vergütung der nachgewiesenen Überstunden zu. Das Arbeitszeitkonto des Klägers wies zum Zeitpunkt seines Ausscheidens unstreitig noch ein Guthaben von 102 Stunden auf. Hinsichtlich der Vergütung von Überstunden gab es zwar eine Vergütungsabrede im
Arbeitsvertrag. Sie war aber unwirksam, weil sie nicht klar und verständlich war und daher gegen das Transparenzgebot verstieß, § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB. Dieses ist auf Hauptleistungspflichten aus dem Arbeitsvertrag immer anzuwenden und umfasst auch das Bestimmtheitsgebot. Es verlangt, dass sich aus der pauschalen Vergütungsabrede selbst klar ergibt, in welchem Umfang Arbeitsleistungen erfasst sein sollen. Das BAG stellte noch einmal fest, dass der Umfang der Leistungspflicht so bestimmbar sein muss, dass der Arbeitnehmer bereits bei Vertragsschluss sicher weiß, was „auf ihn zukommt“.
Dies war bei der hier gewählten Formulierung nicht der Fall, weil sich ihr keine Begrenzung auf die nach § 3 ArbZG zulässige Höchstarbeitszeit entnehmen lässt. An die Stelle der unwirksamen Allgemeinen Geschäftsbedingung tritt nach § 306 Abs. 2 BGB die dispositive Gesetzesbestimmung – hier § 612 BGB. Die Höhe der Überstundenvergütung richtet sich daher nach dem Stundenlohn, der sich aus der Umrechnung des vereinbarten Bruttogehalts auf 45 Stunden/Woche ergibt.
Konsequenzen:
Die Entscheidung wiederholt noch einmal die – bereits bekannten – Anforderungen des Rechts der Allgemeinen Geschäftsbedingungen an die Abgeltung von Überstunden. Das AGB-Recht der §§ 305 ff. BGB ist auf Arbeitsverträge anwendbar, insbesondere auch auf Vergütungsabreden, die eine Hauptleistungspflicht darstellen. Die Klauseln des Arbeitsvertrags müssen transparent und bestimmt sein. Dem Bestimmtheitserfordernis genügt es nicht, wenn die Pauschalierungsabrede im Einzelnen offenlässt, wie viel Arbeitszeit genau der Mitarbeiter für die zugesagte Vergütung zu erbringen hat. Für ihn muss bei Unterzeichnung des Vertrags eindeutig erkennbar sein, welche Arbeitszeit „auf ihn zukommt“. Anderenfalls ist die Klausel unbestimmt und damit unwirksam. Erbrachte Mehrarbeit hat der Arbeitgeber dann nach § 612 Abs. 1 BGB zu vergüten.
Praxistipp:
Arbeitgeber und Arbeitnehmer sollten bei Vertragsschluss – und im laufenden Arbeitsverhältnis – prüfen, ob eine im Vertrag enthaltene Klausel zur Abgeltung von Überstunden hinreichend bestimmt ist. Eine Formulierung, wonach die Vergütung von Überstunden mit dem (Grund-)Gehalt abgegolten sein soll, reicht nicht aus. Vielmehr ist es erforderlich, sowohl die konkrete Anzahl der Überstunden als auch den sich für dieses Volumen ergebenden Betrag der Vergütung konkret zu bezeichnen. Rechtsfolge einer unwirksamen Pauschalierungsabrede ist, dass der Arbeitgeber angeordnete und/oder erforderliche Überstunden – soweit die sonstigen Voraussetzungen vorliegen – abrechnen und bezahlen muss.
Katrin Borck
Fachanwältin für Arbeitsrecht
Dieser Kommentar wurde veröffentlicht in der Zeitschrift „Arbeit und Arbeitsrecht“, HUSS-MEDIEN GmbH, Heft 07/11